Vortrag `Eastside Projekt´

18. August 2004

Mann - Frau – Ehe - Liebe

Liebende leben von der Vergebung

 

Vielen Dank für die Einladung!

Liebe Brüder und Schwestern, vielen Dank, daß wir zusammen sind.

 

Es steht alles in der Bibel. Das sind meine Erfahrungen. Das Wort Gottes ist immer für mich die Leuchte auf dem Wege meines Lebens gewesen.

Spr. 6, 23:

Denn das Gebot ist eine Leuchte und die Weisung ein Licht, und die Vermahnung ist der Weg des Lebens.

Und so will ich auch über Mann und Frau von der Heiligen Schrift her reden.

 

Die Frau ist aus dem Herzen des Mannes geschaffen.

1. Mos. 2:

21 Da ließ Gott der HERR einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloß die Stelle mit Fleisch.

22 Und Gott der HERR baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.

So sagt die Heilige Schrift: `Gott schuf den Menschen; als Mann und Frau schuf ER sie.´

(1. Mose 1, 27 u. Mt.19, 4)

Adam, der Mensch, ist eine Einheit, die auf ein Gegenüber hin geschaffen ist und sich als einsam erlebt. So entfaltet Gott die Menschen zu einem Miteinander, und das Bild der Rippe weist darauf hin; die Verbundenheit ist im Herzen gegründet. So sieht man es auch deutlich in den Bildern – in der Sixtinischen Kapelle wie in den Ikonen (z.B. in den Fresken der serbischen Kirche des heiligen Sava in Hannover). Aus der Herz-Region geht die Frau hervor, im Herzen sind sie verbunden und sind ein Leib, weil sie aus dem Herzen, mit den Herzen zusammengehören.

Diese Gemeinschaft umfaßt alle Bereiche des Lebens: die soziale (Vater und Mutter), die persönliche („ . . .an seinem Weib hangen, ihr Verlangen wird nach ihrem Mann sein.“)  und die leibliche („ . . .werden ein Leib sein.“).

(„Die Sünde hat das harmonische System der von Gott verordneten Rollen in einen unangenehmen Kampf des Eigenwillens verwandelt. Mann und Frau brauchen als lebenslange Gefährten folglich Gottes Hilfe, um miteinander klarzukommen.“ – John Marc Arthur; Studienbibel, S. 54)        

 

Eph. 5:

31 »Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Leib sein«

 

Die Betrachtung unserer wissenschaftlichen Kenntnis über die Entstehung und Entwicklung der Zweigeschlechtlichkeit und der Mythen der Völker (`Mythen alter Kulturen´; 10 Bände; ISBN 3-15-030025-8) macht uns deutlich, wie einmalig und schön der Bericht und die Deutung der Bibel ist.

 

Fast eine Milliarde Jahre gab es auf der Erde nur Lebewesen, die eingeschlechtlich waren, die nicht unterschieden waren in „weiblich“ und „männlich“.

Das Leben pflanzte sich fort durch Teilung, so daß – abgesehen von Fehlern in dem Vorgang der Teilung – immer wieder gleiche Lebewesen entstanden. Die Erbinformation  war zunächst in der ganzen Zelle verteilt (Prokaryoten) und wurde dann im Zellkern zusammengefaßt (Karyoten). Mit der Entstehung von zwei Geschlechtern verteilte sich die Erbinformation bei der Vereinigung männlicher und weiblicher Geschlechtszellen und verband sich in immer neuen Kombinationen, und die Vielfalt der Lebewesen erreichte eine Ausmaß, das fast keine Grenzen mehr hatte für immer neue Gestalten. Die unendliche Vielfalt des Lebens heute auf unserer Erde ist die Folge der Möglichkeiten der Zweigeschlechtlichkeit.

 

Das wußte die Menschheit offenbar in ihren Sagen und Mythen schon von Anfang an. Ich denke jetzt an den androgynen[1] Urmenschen der griechischen Mythologie. Der androgyne  (andros = der Mann; gyne = die Frau), der Mann-Frau-Mensch, wurde dargestellt als ein menschliches Wesen, im Rücken verbunden; das eine Gesicht ist das männliche, das andere das weibliche. Sie können sich nicht ansehen. Und erst, als sie getrennt, geteilt wurden und dann auseinandergingen und sich zueinander umwandten, da sahen sie sich zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht. Ein Mythos. Aber gerade, wenn man sich das vorstellt, dann spürt man, wie schön es in der Heiligen Schrift beschrieben ist: Sie sind nicht am Rücken, sondern immer in ihrem Herzen verbunden.

 

Und dann gibt es einen sehr seltsamen Satz, den wir meistens nicht beachten:

1. Mose 3:

16 Und zur Frau sprach er (nach dem Sündenfall): Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein.

 

Ich weiß nicht, ob Ihnen bewußt ist, was das bedeutet. Das bedeutet, das Herr-Sein des Mannes ist eine Folge der Sünde. Gerade in unserer modernen Zeit, wo viel von Gleichberechtigung geredet wird, muß man sich das wirklich klar machen: Die Heilige Schrift sagt uns ganz eindeutig nach dem Sündenfall: „Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein.“

Das Herr-Sein des Mannes ist ein Folge der Sünde, von der uns Christus erlöst hat. So schreibt der heilige Apostel Paulus (Epheser 5, 21): „Ordnet Euch einander unter in der Furcht Christi.“ Einander unter. In der Orthodoxen Kirche wird immer wieder gebetet: „. . . und lasset uns uns selbst und einander und unser ganzes Leben Christo, unserem Gott, befehlen.“

Das ist die Erlösung, die Erlösung von dem, was den Menschen betroffen gemacht hat durch den Sündenfall, daß er entstellt war. Herrschaftsverhältnisse sind immer eine Entstellung des Bildes Gottes. Gott hat jeden von uns nach SEINEM Bilde geschaffen. Die Sünde entstellt uns, und wir werden erlöst von dieser Entstellung durch Jesus Christus. Lasset uns einander (einer dem anderen) und uns selbst Christo, unserem Gott, befehlen.

 

Es gibt zwei schöne Sätze, die mich immer sehr beeindruckt haben:

„Ehen werden im Himmel geschlossen.“ – So haben die Chinesen das sehr schön in einem Bild dargestellt: Wenn ein kleines Mädchen und ein kleiner Junge geboren werden (auch wenn sie viele Tausende Kilometer voneinander entfernt sind) und einmal zusammengehören, dann macht ein Engel einen kleinen Faden von dem einen großen Zeh zu dem anderen großen Zeh, und der Faden wird immer enger und enger und enger, und irgendwann kommen sie zusammen.

Das ist mir deshalb so wichtig, weil die ganze Problematik der Art, wie Mann und Frau zusammenkommen, in der Geschichte ständig gewechselt hat. Ehen wurden doch weitgehend (und werden heute noch) von den Eltern geschlossen. Ob das schlecht oder gut ist, darüber will ich mich gar nicht äußern. Oder sie wurden geschlossen in den Adelsfamilien im Rittertum im 12. Jahrhundert nach dem Gesichtspunkt der Herrschaft, der Genealogie. Oder in der österreichischen Monarchie: „Führe keine Kriege, sondern heirate.“ So war einmal das Motto der österreichischen Kaiser.

 

(Durch seine dynastische Heiratspolitik, besonders durch das herzogliche burgundische Erbe, den Anfall des spanischen Königreichs und den Erwerb der Wenzels- und der Stephanskrone (1526), vollzog sich der Aufstieg der Habsburger zur europäischen Großmacht (Bella gerant alii. Tu, felix Austria: Nube! – Kriege führen andere. Du, glückliches Österreich: Heirate!

© Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim, 2004)

 

Die Idee – besser: die Hoffnung – auf die Liebesheirat und die vollkommene Ehe, die aus der nur in der Liebe gegründeten Gemeinschaft lebt, ist so alt wie die Menschheit,  jedenfalls so alt wie die Literatur der Völker.

 

Das gibt es schon im Alten Testament. Denken Sie an das Buch Ruth. Eine Liebesgeschichte und eine Geschichte aus dem Stammbaum Jesu. Eine vielschichtige Geschichte. Ruth, die Moabiterin, folgt ihrer Schwiegermutter aus Liebe und Treue, die wieder in ihr Heimatland, nach Bethlehem, zurückkehrt. Als Ausländerin sammelt sie die Ähren, die bei der Ernte auf dem Feld liegenbleiben, wie es damals für die Ärmsten und Fremden üblich war. Boas, der Herr des Feldes, findet Gefallen an ihr, und von ihrer Treue zu ihrer Schwiegermutter wird schon in der Stadt erzählt. So wird sie die Frau des Boas und die Großmutter des Königs David. Als Frau wird sie im Stammbaum Jesu genannt.

Matthäus 1:

5 Salmon zeugte Boas mit der Rahab. Boas zeugte Obed mit der Rut. Obed zeugte Isai.

 

Die Liebesgeschichten der Völker führen selten (wie bei Andromeda und Perseus oder bei Odysseus) zu einer beständigen und glücklichen Ehe.

Die Chinesen haben immer sehr schön gesagt: „Die chinesische Ehe ist ein Wassertopf, kalt, und der wird auf einen Herd gestellt. Dann wird er heiß, und dann bekommt die Ehe Bestand. Die europäische Ehe ist ein Topf mit kochendem Wasser, der keinen Herd hat und sich wieder abkühlt.“ So die kritischen Chinesen. Aber daran ist natürlich auch etwas Wahres.

Der Topf kalten Wassers ist in diesem Bild die wohlüberlegte Ehe, die nach Vernunft und Nutzen geschlossen wird, die sich „rechnet“, wie wir heute gerne sagen.

Der Topf mit heißem Wasser, der keinen Herd und kein Feuer unter sich hat, ist das Bild der Ehe,  die aus jugendlicher, noch unbedachter Liebe geschlossen wird.

Beide Bilder und Möglichkeiten sind keine unversöhnlichen Gegensätze. Die Ehe der Verliebten kann eingebettet sein in die Gemeinschaft und Fürbitte der Familien. So führen bei der orthodoxen Trauung und bei vielen Hochzeitsbräuchen die Eltern ihre Kinder zusammen: Der Vater der Braut bringt seine Tochter zum Altar, wo beide auf den Bräutigam warten, der von seiner Mutter zum Altar und zu seiner Geliebten geführt wird.

 

Es gibt viele Aussagen in der Heiligen Schrift, die uns offenbaren und uns deutlich machen, wie eine Ehe glücklich wird, um das ganz einfach zu sagen. Im Grunde wissen wir das selbst; vieles ist in der Liebeskunst des Ovid (Ars Amandi [lateinisch] die, Liebeskunst; Ars amatoria, ein Lehrgedicht von Ovid) zusammengefaßt.

 

Aber das Wort Gottes ist nicht nur Information, sondern auch Stärkung; da wir uns dem Wort des Herrn anvertrauen, schenkt ER uns Vollmacht, zu tun und zu leben, was wir hören.

Ps. 33:

4 Denn des HERRN Wort ist wahrhaftig, und was ER zusagt, das hält ER gewiß.

 

Von dieser von Gott geschenkten Kraft des Wortes leben die Liebenden, auch wenn sie es nicht bewußt erkannt haben. Das Wort der Liebe ist wirklichkeitsschaffend; am Standesamt wirkt das Wort von Mann und Frau einen von der Gesellschaft geschützten Rechtsstatus: verheiratet zu sein. In der Römisch-Katholischen Kirche wirkt das Wort des Bekenntnisses zueinander das Sakrament der Ehe: eingebettet zu sein in den Segen und in die Gegenwart Christi in der Gemeinsamkeit des Lebens.

 

Rebekka:

Der älteste Knecht Abrahams wird in die Stadt Nahors geschickt, um eine Frau für Isaak, den Sohn Abrahams, zu finden. Wie soll er die Richtige unter den vielen schönen Mädchen finden?

1. Mose 24:

4 Wenn nun ein Mädchen kommt, zu dem ich spreche: Neige deinen Krug und laß mich trinken, und es sprechen wird: Trinke, ich will deine Kamele auch tränken -, das sei die, die du deinem Diener Isaak beschert hast, und daran werde ich erkennen, daß du Barmherzigkeit an meinem Herrn getan hast.

 

An den Kamelen hängt der Bestand, das Glück unserer Ehe. 

 

Wir sind in der Liebe ganz für einander da. Das ist die Quelle und der Grund für unser     Miteinander-Sein. Aber die Liebe oder die Gemeinschaft, die sich nur auf sich beschränkt, hat keinen Bestand.

 

Ich erinnere: Als ich noch ein junger Arzt war, war die Zeit des Wirtschaftswunders. Da lebten noch Adenauer und Erhard, die Leute, die die Wirtschaft zum Blühen gebracht haben. Da gab es junge Leute, die arbeiteten beide fleißig, kauften sich ein Grundstück und bauten ein Haus. Dann wurde das Haus eingerichtet, die Ehe war eitel Glück und Fröhlichkeit, und es war alles herrlich. Dann arbeiteten sie weiter beide; dann konnten sie sich ein Auto anschaffen. Und eines Tages – das dauerte gar nicht so lange: manchmal drei, vier, fünf Jahre – war das Haus fertig, der Garten in Ordnung, es mußte nur noch der Rasen gemäht, das Auto geputzt werden. Sie hatten „alles“. Und dann begannen sie sich zu streiten; sie hatten sich „nichts mehr zu sagen“; sie hatten „sich nie geliebt“ – und es gibt andere Standardsätze, die einer Ehescheidung vorangehen.

 

Man muß schon an die durstigen Kamele denken, damit die Ehe glücklich bleibt. Das kann sich natürlich in sehr verschiedenen Dingen ausdrücken. Aber nur wenn wir die Nächsten und die Tiere und die Pflanzen und die ganze Schöpfung in unsere Liebe einschließen, ist unsere Liebe gesegnet.

 

Diesen Zusammenhang habe ich damals noch nicht begriffen. Ich war ein junger Arzt. Ich habe immer wieder diese zerbrechenden Ehen erlebt. Ich habe mich nur gewundert, ohne an die „Kamele“ zu denken.

 

Diese schreckliche, fast unausweichliche Dynamik, daß die Ehe leer und sinnlos wird, wenn Mann und Frau nur an sich denken, wenn Gemeinschaft nur die Voraussetzung für Erfolg und Besitz ist, gilt zu allen Zeiten – zur Zeit der Rebekka wie auch in unseren Tagen.

 

Die Familien, an die ich jetzt denke, war Vorzeigefamilien: gute, glückliche Ehen, wohlgeratene Kinder. Die Ehen schienen gefestigt; die Familien lebte unter dem Segen des Ehesakramentes der katholischen Kirche. Aber das blieb nur so lange beständig, bis die Häuser fertig waren, die Autos abbezahlt, die Kinder „aus dem Gröbsten heraus“. Und dann begann es zu bröckeln, mit den Sprüchen: „Wir haben uns nichts mehr zu sagen.“, „Ich habe dich nie geliebt.“, „Ich bin nicht geeignet für die Ehe.“

 

Wir waren 50 Jahre und einige Wochen verheiratet („ . . . bis daß der Tod euch scheidet“). Wir waren zuerst ein wenig arm, später auch nicht richtig reich. Es gab immer neue Menschen, denen wir zu helfen versuchten; es fehlte nie an „Kamelen“. Wir haben erst sehr spät erkannt, wie wesentlich dies nicht ganz bequeme Leben für unsere Ehe gewesen ist.

 

Also: Denken wir an die Kamele.

 

Aber es gibt noch eine andere Stelle der Heiligen Schrift, die mir zur Grundlage der Ehe geworden ist:

Johannes 2, 1-11: die Hochzeit zu Kana in Galiläa, das Evangelium, das bei der orthodoxen Trauung gelesen wird.

 

Jesus ist eingeladen.

 

Das ist für mich die große Überschrift über alles, was wir Trauung nennen. Wir laden Jesus ein zu unserer Hochzeit, und ER kommt mit Seiner Mutter – und die Mutter sieht natürlich gleich alles; sie sieht, daß der Bräutigam zu wenig Wein eingekauft hat oder die Leute zu viel getrunken haben.

 

Johannes 2:

2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.

3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.

 

Und ER fährt sie richtig an. Es ist eine sehr harte Rede. „Was ist das zwischen MIR und dir, Weib?“ sagt ER zu ihr. „MEINE Zeit ist noch nicht gekommen.“ Und Seine Mutter, die ihn ja nun wirklich kennt – die Mutter kennt ihren Sohn –, die ärgert sich überhaupt nicht, die sagt nur zu den Dienern: „Was ER euch sagt, das tut.“ Und nach einiger Zeit spricht Jesus zu den Dienern (Joh. 2, 7-10):

Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! (griech.: „architriklin“ – ein schönes Wort) Und sie brachten's ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wußte, woher er kam - die Diener aber wußten's, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.

 

Die Heilige Schrift ist so wirklichkeitsnah: Wenn das Wasser der Fußwaschung zum köstlichen Wein wird, dann ist die Ehe glücklich. Es geht um die Kleinigkeiten – es dreht sich eben nicht um den Wein, den wir im Laden kaufen können, sondern es dreht sich darum, daß unscheinbare Kleinigkeiten zum Ausdruck der Liebe werden. Das fällt einem nicht so schwer, wenn man verliebt ist, ehe man geheiratet hat. Dann fällt einem alles mögliche ein: Er pflückt ihr eine Blume ab, er hilft ihr, steigt aus dem Auto aus, geht um das Auto herum, macht ihr die Tür auf, . . .  Lauter Kleinigkeiten. Diese Kleinigkeiten sind so schön, und sie machen beiden Spaß. Und dann wird man älter und älter, und dann wird man faul und nachlässig – und dann? Ja, dann man muß man sich, dann darf man sich an diese Geschichte erinnern. Zu Anfang ist alles selbstverständlich, aber später muß man doch mal darüber nachdenken.

Ich habe schon gesagt, es ist mir oft nicht so richtig geglückt, den jungen Leuten diese Wirklichkeit klar zu machen: daß sie von Anfang an an die Kamele denken, an die Kleinigkeiten. Man kann das sehr grob sagen: Am Ehebruch geht keine Ehe kaputt, das ist alles einmalig, aber an den Schuhen, die der Ehemann immer schief unters Bett stellt. Daran ist schon manche Ehe gescheitert.

Alles etwas übertrieben, aber ganz erstaunlich ist, daß es eben nicht die großen Dinge sind: Krankheit, selbst Geisteskrankheit – es muß ja nicht gleich Ehebruch sein. Denken Sie, daß der Ehemann Schizophrenie bekommt oder Parkinson oder Alzheimer. Das sind alles Dinge, die kann eine Liebe tragen. Aber die Kleinigkeiten, die ganzen unscheinbaren, unwichtigen Kleinigkeiten sind, wenn sie mir gegen den Strich gehen, unerträglich. „Gegen den Strich gehen“ – ein ausdrucksvoller deutscher Ausdruck. Unsere Haare liegen in einer Richtung – das muß nicht so sein, aber das ist so –, und das, was dagegenbürstet, wird uns immer unerträglicher, gerade weil es so unwichtig aber so ständig und alltäglich ist.

 

Jeder Mensch, ob Frau oder Mann, hat seine Eigenheiten. Zuerst sind sie liebenswert, niedlich, originell, typisch, zum Anbeißen. Eines Tages werden sie störend, blöde, ungezogen – und welche Worte man dafür findet, erst nur gedacht, später auch ausgesprochen („Das mußt du aber nun endlich einmal ablegen. Ich ertrage das nicht mehr.“ – und in welchen Sätzen sich der ermüdete Unmut auch ausdrückt.)

 

Wie gehen wir mit diesen Kleinigkeiten um?

Die erste vernünftige Antwort lautet: Das sind doch nur Kleinigkeiten. Diese Antwort ist wirklich vernünftig, aber sie verkennt die Wirklichkeit der Ehe. So wird ein Außenstehender sagen, aber  nicht der Betroffene.

 

Die Anlässe zum „Streit“ – leider nicht nur in Anführungsstrichen – sind so unbedeutend, und doch können wir uns nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit Gottes Hilfe gegen den Unmut wehren.

 

Wir hatten nur eine kleine Wohnung. Es war nicht viel Platz, die Küche ist nicht größer als der Tisch hier. Meine Frau wusch jeden Teller gleich nach dem Gebrauch ab – ebenso vernünftig wie störend, denn das Essen wurde immer etwas gestört dadurch, daß sie in die Küche rannte und das, was gerade benutzt worden war, abgewaschen hat (natürlich nicht, wenn wir Gäste hatten). Es bringt eben den guten Ehemann so auf, daß er nicht so gut wie die Gäste behandelt wird. Also ist es gut, wenn wir einander immer so behandelten, als ob der Ehegatte ein besonders wichtiger und geschätzter Gast sei.

Aber es ist doch erstaunlich: Wenn man so unscheinbare Kleinigkeiten bedenkt, spürt man, wie wichtig sie sind.

 

Wenn das Wasser der Fußwaschung zum köstlichen Wein wird, dann hat die Ehe Bestand.

 

Hoheslied 5, 2: Ich schlief, aber mein Herz war wach. Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Dieser Vers des Hohenliedes meint die Gegenwart der Liebe, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in sich einschließt.

 

Unter „Herz“ versteht die Bibel – und mit ihr alle Poesie – nicht die kleine unermüdliche Pumpe, deren Funktion und Bedeutung erst Harvey 1642 entdeckt hatte, sondern die vom schlagenden Herzen ausgehende Mitte des Körpers und der Seele.

 

Ps. 51:

12 Schaffe in mir, Gott, ein  reines Herz, und gib mir einen  neuen, beständigen Geist.

 

Matth. 5:

8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

 

Es ist zwar offensichtlich, daß für die Liebe die seelisch-körperliche Mitte des Menschen das Herz ist, das uns in der Liebe verbindet, aber in der Praxis des Verliebtseins verwechseln wir oft unsere Einheit und Verbundenheit im Herzen mit der Begehrlichkeit des Körpers.

Es mag uns auch die Schönheit und Attraktivität des Körpers zur Verbundenheit im Herzen führen, aber nur selten werden wir aus eigener Kraft diesen Weg gehen. Den Rat anderer hören wir nicht oder nur widerwillig, wenn wir verliebt sind. Und an Gott und die heiligen Engel, die uns zum rechten Ziele führen, denken wir kaum im ersten Feuer der Liebe.

 

Freude und Beständigkeit der Liebe kommt aus dem Herzen, mit dessen Augen der Körper seinen wahren Wert und seinen rechten Ort empfängt als in Liebe verbundener Bruder der Seele.

 

Da gibt es diese etwas makabre russische Geschichte von Stroganoff; es gibt das „Boef Stroganoff“, das ist ein Steak, das in schmale Streifen geschnitten ist.

Die Geschichte dazu ist:

Stroganoff trifft seinen Freund im Restaurant. Er ist ein bißchen aufgeregt,  er hat sein Steak schon vor sich. Sein Freund: „Warum bist du denn so aufgeregt?“ „Ach“, sagt er, „meine Frau hat mich betrogen, ich habe sie mit ihrem Liebhaber im Bett entdeckt . . . na ja, . . . ich habe ihren Liebhaber gefragt: `Was liebst du – ihren Körper oder ihre Seele?´“ „Und was hat er gesagt?“ „Die Seele.“ „Und was hast du gemacht?“ – „Dann . . .“ Stroganoff macht mit dem Messer aus dem Steak schmale, kleine Streifen, um seinem Freund zu zeigen, was er mit seinem Nebenbuhler gemacht hat. So ist das Boef Stroganoff entstanden.

 

Das ist eine sehr „wahre“ Geschichte. Hoffentlich ist sie nicht wahr, aber bildhaft ist sie sehr ausdrucksvoll und erzählt, daß es auch in der Leidenschaft des Ehebruches letzten Endes um die Seele geht.

 

Die Bedeutung des Körpers in der Liebe ist nicht einfach zu beschreiben.

Ich denke an den Roman „Soll und Haben“ von Gustav Freytag. Eine Episode hat mir einen neuen Gedanken im Hinblick auf den Körper der Frau nahe gebracht. Für uns heute Vergangenheit.

Gustav Freytag erzählt, wie ein junger Mann mit einer jungen Dame, die er zu lieben beginnt, durch den Park geht. Sie sind etwas abgelenkt, und das Mädchen rutscht aus und fällt in den Teich. Er rettet sie. Weil sie aber so naß ist, liegen ihre Kleider ganz eng am Körper an. Der junge Mann sieht zum ersten Mal eine Frau in ihrer wirklichen Gestalt. So hat es Freytag (1815- 1895) damals beschrieben.

 

Auch in der Heiligen Schrift gibt es eine solche Geschichte:

2. Sam. 11:

2 Und es begab sich, daß David um den Abend aufstand von seinem Lager und sich auf dem Dach des Königshauses erging; da sah er vom Dach aus eine Frau sich waschen; und die Frau war von sehr schöner Gestalt.

(Auch: Geschichte von Susanna und Daniel; das Buch gehört in der Lutherbibel zu den Apokryphen, weil es nur im griechischen Text überliefert ist.)

 

Der Körper wird zum Ausdruck der Liebe und ist zugleich mehrdeutig.

 

Der Körper dient der Verführung und sucht ohne Beteiligung der Seele Menschen aneinander zu binden, zu ketten. Der Körper in seiner Gestalt und Schönheit weckt das Verlangen nach Nähe und Gemeinsamkeit. Wie schön ist es, zusammen zu ruhen und in zarter Berührung die Nähe des Geliebten, der Geliebten zu spüren und ihren Duft einzuatmen. Schön wird diese Gemeinsamkeit, wenn sie nicht von Nur-an-sich-selbst-denken entstellt ist.

 

Hoheslied 8:

4 Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, daß ihr die Liebe nicht aufweckt und nicht stört, bis es ihr selbst gefällt.

 

Dreimal wiederholt das Hohelied diesen Vers (2, 7 + 3, 5). Liebe ist schön und hat Bestand, wenn ich ganz für den da bin, der/die bei mir ist.

Daß ich ganz zu mir selbst komme und der, den/die ich liebe ganz zu sich selbst kommt, ist das Geheimnis der wachsenden und reifenden Liebe – auch den Schlaf nicht stören, bis es „ihr selber gefällt.“

 

So erinnere ich Gespräche, ob die Frau oder der Mann schöner sei. Natürlich empfanden Frauen und Männer anders – auch die Kunst. Vor allem die griechischen Statuen stellen Mann und Frau in gleicher Schönheit und Vollkommenheit dar. Und doch ist die Schönheit, die unser Herz berührt, nicht die schöne Norm, sondern die einmalige Gestalt.

 

Mir wurde erzählt, vor einem amerikanischen Museum stände in Marmor die „Miss Norm“, die die Durchschnittswerte vieler Frauen in ihren Maßen darstellte. Es heißt, niemand habe dieser unbekleideten Frau einen Blick gegönnt. Es ist nicht die schöne Norm – alles nach dem goldenen Schnitt –, die das Herz liebt, sondern die einmalige Gestalt

Wenn wir das zu leben beginnen, hat auch das Altern keine Schrecken mehr. Altern wird zur Vollendung der Liebe – der ehelichen Liebe, der kindlichen Liebe.

 

Ich erinnere unsere Mutter als schöne Frau. Und wenn ich zurückdenke, habe ich nicht die junge Frau vor Augen, die sie war, als ich geboren wurde (39 Jahre), sondern die alte Frau in ihrer lebenserfüllten Schönheit.

Daß Altern bedroht die Liebe nicht, wenn wir Mutter und Geliebte mit den Augen des Herzens sehen. Darum begleitet mich das Wort des Hohenliedes durch die Jahre

 

Mein Herz ist wach.“

 

Die wahre Liebekunst besteht darin, mein Gegenüber mit den Augen Gottes zu sehen.

Es wird erzählt:

Es lebte ein Einsiedler in den Höhlen der Wüste. Er hatte ein reines Herz, betete mit Liebe zu Gott im Wachen und im Schlafen; begegnete allen Geschöpfen mit herzlicher Liebe und wuchs und reifte im Glauben an Christus, DER um unseretwillen Mensch geworden ist, DER für uns gekreuzigt wurde und auferstanden ist von den Toten.

Der Teufel hatte schon vieles versucht, diesen Man zu Fall zu bringen, aber nichts brachte den Einsiedler von seinem einfachen, Gott zugewandten Leben ab. Da dachte der Teufel: „Auch dieser Mann wird den verführerischen Reizen einer schönen Frau nicht widerstehen können.“

Der Teufel machte sich große Mühe und fand eine Frau, die – so dachte der Teufel – ebenso schön wie verführerisch war.

Diese Frau brachte er eines sonnigen Morgens vor die Höhle des Einsiedlers. Als der Einsiedler nach dem Morgengebet aus der Höhle kam, sah er die Frau in ihrer herrlichen Gewandung, die nicht nur verhüllte. Er betrachte sie lange und liebevoll, dann rief er aus: „Ich danke DIR, GOTT, daß DU ein so schönes Geschöpf geschaffen hast!“ Da war der Teufel mit seiner Weisheit am Ende.

 

Der Einsiedler hatte die wahre Schönheit dieser Frau gesehen; er hatte sie gesehen und angesehen mit den Augen Gottes.

 

Nur daran zu denken, daß Gott uns liebevoll ansieht – mich, meinen Nächsten und alle Fernen –, macht unser Herz und unsere Augen aufmerksam, bei jedem Blick, bei jedem Urteil Gott vor Augen zu haben und zu fühlen, daß ER uns ansieht und wir an diesem Blick Gottes teilhaben dürfen.

 

1. Mose 1:

28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

 

In diesem Vers ist der Weg und das Ziel der Ehe beschrieben und der Weg und das Ziel des Wanderns des  Menschen durch die Geschichte.

 

Gottes Segen begleitet und uns führt uns. Wir dürfen demütig und aufmerksam Gott folgen, DER uns vorangeht, bis ER wiederkommen wird und Seines Reiches kein Ende sein wird.

 

Unsere Fruchtbarkeit ist uns geschenkt, daß die Erde erfüllt wird von Leben in Schönheit und Frieden, denn ER ist der „König des Friedens und der Heiland unserer Seelen“, wie wir im Morgengottesdienst beten.

 

Fruchtbarkeit ist uns geschenkt, daß aus den Geschlechtern der Menschen CHRISTUS geboren wird und in jedem neugeborenen Menschen Sein Bild und Seine Ähnlichkeit diese Schöpfung erfüllt.

 

Der Fluch der Unfruchtbarkeit ist von uns genommen, da Christus geboren ist aus der Immerjungfrau Maria. Jungfräulichkeit wird der Weg der neuen Zeit, die an der Krippe in Bethlehem begann. Die Kinder, die wie Weinstöcke den Tisch des Hauses umstehen (Psalm 128, 3), sind ein Geschenk des Herrn, das von dem Fluch des Zwanges und der Notwendigkeit frei ist und in neuer Weise das Reifen und Wachsen der Menschheit segnet.

 

Wir leben in der Freiheit, die uns Christus geschenkt hat, die jeden von uns seinen Weg auf Christus hin führt.

 

Die körperliche Vereinigung ist nicht mehr nur dem einen Ziele zugewandt, Kinder zu zeugen; so war es schon von Anfang an für die Zeit, da den Ehegatten aus biologischen Gründen keine Nachkommen mehr in Aussicht standen. Die Wunder der Spätgeborenen – zuerst Isaak – sind vornehmlich Wunder des Alten Bundes. So ist und bleibt das Kind immer Geschenk Gottes, wie es schon die Upanishaden wußten. Dort heißt es sinngemäß: „Zur Zeugung eines Kindes bedarf es einer gesunden, empfängnisbereiten Frau, eines gesunden zeugungsfähigen Mannes und noch etwas, das wir nicht beschreiben können.“

GOTT, DEN wir im Heiligen Geist anrufen als den Lebensspender, ist immer Urheber und Schöpfer des Lebens.

Wo wir unter dieser Wirklichkeit an das denken, was wir sehr menschlich Familienplanung nennen, wird auch unser Forschen und Lernen – gerade der modernen Wissenschaft – gesegnet sein.

 

1. Mos. 1, 28:

Und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

 

Herrschen, wie Gott herrscht, in Liebe und zur Erfüllung und Vollendung des Wesens und der Gemeinschaft der Geschöpfe. Dafür ist der Name und der Garten des Paradieses ein anschauliches Bild, das unsere Praxis und unser Leben mit den Geschöpfen, mit der Umwelt gestaltet.

 

1. Mos. 2:

19 Und Gott der HERR machte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, daß er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen.

20 Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen.

 

Im Namen kommt das Sein, das Geschöpf Tier und Mensch zu seiner Vollendung und Gestalt:

Von dem Namen der Tiere im Paradies über das hochmütige Begehren der Menschen, die den Turm zu Babel bauten (1. Mos. 11, 44), zu dem großen Namen, den Gott Abram verheißt (1. Mos. 12, 2).

Abram und wir predigen den Namen des Herrn (1. Mos. 12, 8; 13, 4), und wir beten: „Geheiligt werde DEIN Name!“ (Matth. 6, 9; Luk. 11, 2). So dienen die Leviten (5. Mos. 18, 7) und wir dem Namen des Herrn.

Unser Name verbindet uns mit den Heiligen, wir werden in Taufe und Beichte und Abendmahl bei unserem Namen gerufen, denn Gott kennt uns bei unserem Namen und wir sind SEIN.

Die Bedeutung des Namens finden wir auch in Märchen (Rumpelstilzchen), in den Mythen bis hin zur „Unendlichen Geschichte.“

 

2. Mos. 2, 8:

Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte.

 

Der Garten, der Park ist ein Bild einer harmonischen Welt. Im Garten sorgt sich der Gärtner um alle Geschöpfe, daß sie sich entfalten können und miteinander in Frieden leben. Gott läßt uns an diesem Werk – am Werden der Welt, da die Geschöpfe in Frieden und Harmonie miteinander leben – teilhaben, das ER vollenden wird.

 

Offbg. 21:

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.

Jes. 65:

25 Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muß Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.

 

Jes. 11:

5 Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und der Glaube der Gurt seiner Hüften. 6 Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben.

7 Kühe und Bären werden zusammen weiden, daß ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder.

8 Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter.

9 Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt.

 

Hesekiel fügt diesen Bildern noch ein Bild hinzu – von den Tieren und den Rädern:

 

Hesekiel 1:

19 Und wenn die Gestalten (Tiere, die beschrieben werden als Mensch, Löwe, Stier, Adler) gingen, so gingen auch die Räder mit, und wenn die Gestalten sich von der Erde emporhoben, so hoben die Räder sich auch empor.

20 Wohin der Geist sie trieb, dahin gingen sie, und die Räder hoben sich mit ihnen empor; denn es war der Geist der Gestalten in den Rädern.

21 Wenn sie gingen, so gingen diese auch; wenn sie standen, so standen diese auch; und wenn sie sich emporhoben von der Erde, so hoben sich auch die Räder mit ihnen empor; denn es war der Geist der Gestalten in den Rädern.

 

Dieses Bild des Hesekiel beschreibt eine Welt, in der es – um es einfach zu sagen – keine Verkehrsunfälle mehr gibt, d.h. die belebte und unbelebte Schöpfung ist in Eintracht, in einem harmonischen Zusammenwirken.

 

Gott läßt uns in allen Kleinigkeiten unseres Lebens daran teilhaben – ob wir unsere Wohnung einrichten, unsere Blumen pflegen oder unseren Hund ausführen, ob wir Verkehrsregeln erproben oder uns um Sicherheit in unserem Haus oder bei der Arbeit bemühen.

 

Das Buch Tobias, in der Lutherbibel unter den Apokryphen, überliefert in der griechischen Bibel, gehört in der Römisch-Katholischen und Orthodoxen Kirche zur Heiligen Schrift.

 

Das Buch Tobias ist ein vielgestaltiges Buch mit einer geradlinigen Geschichte, die in bildhafter und doch wirklichkeitsnaher Sprache von der Hochzeitsnacht und der körperlichen Liebe spricht.

 

Der junge Tobias macht sich im Auftrag seines Vaters, der durch den Kot einer Schwalbe blind geworden ist, auf nach Rages in Medien. Ihm gesellt sich der Erzengel Raphael zu, und sie kommen nach kleinen Abenteuern in das Haus eines fernen Verwandten Raguel, der eine Tochter Sara hat, das einzige Kind der Familie.

Tobias verliebt sich auf den ersten Blick in die Tochter und hält um ihre Hand an. Der Vater scheint darüber nicht glücklich zu sein. Auf seiner Tochter lastet ein Fluch; sieben Männer, denen sie angetraut war, sind in der Hochzeitsnacht gestorben. Raguel zeigt dem jungen Tobias die sieben Gräber im Garten.

Auf Tobias macht das keinen Eindruck. Er ist verliebt und bleibt bei seinem Entschluß. Der Engel ist auf der Seite des Tobias.

 

Ich fasse die Geschichte in einfache Worte. Sie erzählt von dem Chaos, in das der Mensch,  in der Liebe zu stürzen vermag, die ebenso lebensspendend wie tötend sein kann. Der Rat des Engels ist einfach: „Wendet euch von ganzem Herzen in eurer Hochzeitsnacht zu GOTT.“

 

So wird die Hochzeit gefeiert. Die Brautleute gehen in das Hochzeitszimmer – der Vater in den Garten, ein neues Grab auszuheben.

 

Als sie vor dem Hochzeitsbett stehen (Tobias 8, 4), fordert Tobias die Jungfrau auf: „Steh auf. Wir wollen heute, morgen und übermorgen zu Gott beten und in diesen drei Nächten nur Gott gehören. Nach der dritten Nacht aber wollen wir als Eheleute einander gehören, denn wir sind Kinder der Heiligen und können unsere Ehe nicht beginnen wie die Menschen, die Gott nicht kennen.“ Und sie standen auf und beteten beide inständig, daß Gott sie behüten wolle.

Mit GOTT beginnen sie ihr Eheleben, und was den anderen zum Tode war, wird ihnen zu Leben.

Und der Vater der Braut muß das Grab, das er schon ausgeschaufelt hat, wieder zuschütten, weil der Tobias friedlich schlafend neben seiner Frau Sara liegt (Tobias 8, 10).

 

Manchmal haben wir vielleicht Schwierigkeiten, so etwas in seinem tiefen Sinn wirklich zu verstehen. Dieser Geist, der immer die frischgebackenen Ehegatten umbringt, heißt Asmodi. In dieser Geschichte wird offenbar – was ich aus dem Leben wirklich kenne –, daß körperliche Liebe immer zum Chaos offen ist.

 

Wieviel Gewalt geschieht in der Liebe, wieviel Verführung, wieviel Unehrlichkeit, wieviel Eigennutz, wieviel Nur-an-sich-selbst-denken. Man kann sich darüber eigentlich nur entsetzen, daß diese herrliche Sache, die Gott geschaffen hat, DER uns so geschaffen hat, daß wir zusammenpassen, daß wir eins werden – wirklich wortwörtlich –, immer wieder entstellt wird, umgeben ist von dem Höllenfeuer des Asmodi.

 

In der körperlichen Vereinigung bewahrt und segnet uns Gott; so wenden wir uns ganz IHM zu, daß wir auch in dieser Stunde Gott lieben mit allen Sinnen und Kräften und unseren geliebten Partner wie uns selbst.

 

Vom tötenden Chaos der Liebe erzählt Tolstoi (geb. 1828, gest. 1919) in der „Kreuzersonate“; er schrieb diese Novelle 1891:

Ein Mann sitzt im Zug, einem alten russischen Zug. Ihm gegenüber sitzt ein älterer Herr. Sie kommen ins Gespräch. Er sagt: „Ich muß ihnen was erzählen. Ich komme gerade aus dem Gefängnis. Ich habe meine Frau umgebracht.“ – Und dann erzählt er ganz ausführlich, wie sie geheiratet haben, das Haus gebaut und materiell alles immer perfekter wurde, wie der Geschlechtsverkehr immer der Höhepunkt sein sollte, aber eben nicht war, und sie beide letztlich auch nichts Wirkliches mehr erlebt haben.

 

Ich kenne auch Ehen, wo der Ehemann nach St. Pauli ging, um zu erleben, wie der perfekte Geschlechtsverkehr sei, nach dem man wirklich zufrieden ist (Satisfaction), weil es zu Hause langweilig war. Aber auch da erlebte er nicht die Herrlichkeit, von der er träumte. Ich kann mich gut erinnern. Er war ein netter Kerl, der nicht viel Geld hatte. Da hat gespart. Er sagte: „Ach, wissen Sie, Herr Doktor, das war noch nicht die Richtige. Ich muß mal mehr Geld sparen. Wenn die Dame teurer ist, dann wird die Sache schon gut werden.“ Und dann hat er schließlich gespart und kam wieder, und sagte: „Herr Doktor, alles Mist!“

Man denkt, so lange das noch knistert und halb verboten ist, ist die Sache ganz prima, da ist noch so ein Flair drin. Und trotzdem findet man nicht die erträumte Herrlichkeit.

 

In der Ehe, die Tolstoi beschreibt, ist die körperliche Vereinigung zur schrecklichen Routine geworden, beide sind nicht mehr glücklich dabei, aber beide treibt der Geist Asmodi, treibt das Begehren, die Appetenz einfach dazu, sich immer wieder zueinander zu legen.

Schließlich kommen sie nicht mehr zusammen.

Die Frau findet einen Klavierlehrer, der eben mit ihr die Kreuzersonate spielt, und dieser Klavierlehrer ist der, der ihr die Liebe nun noch einmal neu nahebringt. Der Ehemann kommt nach Hause und ersticht sie – aber das Gericht spricht ihn nach einer kurzen Strafe frei, weil der Richter offenbar, so Tolstoi, verstanden hat, daß er eigentlich dafür nicht verantwortlich war.

Wenn man sich diese schreckliche, wirklich ganz schreckliche Geschichte vorstellt, dann spürt man die große Wirklichkeitsnähe. Ich bin der Überzeugung, es gibt keine menschlich kluge Lösung – weder Kamasutra noch Beate Uhse.

 

Wenn wir uns in der Liebe Gott ganz zuwenden, verliert der „böse Geist“, das Chaos seine Macht, und wir verkosten die Herrlichkeit der Liebe. Gottes Reich wächst in dieser Welt, in uns. Es bedarf der Geduld und der Zeit, dieses Wachsen wahrzunehmen. Drei Nächte beten Tobias und Sara. Unser Leben mit Gott läßt die Saat wachsen.

So beten wir:

„Gib mir Keuschheit, Demut, Geduld und Liebe, mir, Deinem Kinde.“

(Gebet Ephraim des Syrers; in der Orthodoxen Kirche vor allem in der Fastenzeit täglich gebetet.)

 

Das griechische und slawische Wort, das wir mit „Keuschheit“ übersetzen, hat einen ganz anderen Sinnumfang wie heute das Wort Keuschheit in unserer Umgangssprache; „sophrosine“ / „zelomudria“ meint eine umfassende Weisheit, die unser Verhalten bestimmt (Das Lexikon schlägt als Übersetzung vor: gesunder Verstand, klare Besonnenheit, besonnene Zurückhaltung, Sittsamkeit). Diese Weite des Wortes entspricht unserem Anliegen: Liebe entfaltet sich, wenn alle Dimensionen unseres Seins und Lebens daran teilhaben.

 

In der Orthodoxen Kirche gibt es keine Trennung von Kirche und Welt, von heilig und profan.

(profan [lateinisch »nicht geheiligt«], weltlich (Gegensatz: sakral); alltäglich.)

 

Gott ist Mensch geworden;  ER liegt in der Krippe, ER liegt an der Brust Seiner Mutter, ER hat an allem teil, was Menschsein bedeutet. So gibt es keinen Ort und keine Zeit unseres Lebens, wo wir uns nicht Gott zuwenden können. Ganz besonders in der Liebe sind wir Gott nah, und so hören wir die Frohe Botschaft von der Hochzeit zu Kana und beten wie Tobias und Sara an unserem Ehebett.

 

Der Heide Ovid hat in der „ars amandi“, der Liebeskunst, etwas Einfaches und Schönes geschrieben: Die Liebenden müssen immer wie Pferde, die an einen Wagen gespannt sind, gemeinsam ziehen. Sie müssen immer aufeinander achten, ob der andere genauso schnell läuft, und langsamer oder schneller werden, damit sie immer alles gemeinsam machen.

Der kluge Römer hat das wirklich sehr klar und schön gesagt. Das bezieht sich nicht nur auf die körperliche Liebe. Es bezieht sich auf alles: daß man auf den anderen achtet. Liebe ist Gemeinschaft. Selbstsucht schwächt sie.

 

Es ist nicht ganz einfach, zusammen im gleichen Takt zu laufen. Auch Pferde müssen das lernen. Aber die Mühe lohnt sich.

 

So beten wir während des Gottesdienstes vor dem Glaubensbekenntnis: „Lasset uns einander lieben, daß wir einmütig bekennen. . .“  Aber das gehört auch zur Liebe. Lasset uns einander lieben, daß  wir uns einmütig zueinander bekennen, daß die Gemeinsamkeit in uns reift und wächst.

 

Und noch einen letzten Gedanken, den ich auch in der Heiligen Schrift gefunden habe:

 

Vertrauen – Vorschußvertrauen

 

Matthäus 13:

24 Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte.

25 Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon.

26 Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut.

27 Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut?

28 Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du denn, daß wir hingehen und es ausjäten?

29 Er sprach: Nein! damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet

 

Die Jünger fragen nach dem Sinn des Gleichnisses. Christus sagt, das Gleichnis handelt von Gott und der Schöpfung; Gott sieht und liebt den Weizen und ist langmütig mit dem Unkraut.

 

Das ist nicht einfach in der Praxis des alltäglichen Lebens. Dazu bedarf es Vertrauen, daß der andere es gut meint; dazu bedarf es Geduld und Demut; dazu dürfen wir alle Herrschsucht ablegen; dazu bedarf es Klugheit – eine der wesentlichen Tugenden der griechischen und römischen Antike; dazu bedarf es des Gebetes und des Hörens auf die leise Stimme Gottes und die leise Stimme des Herzens.

 

Ich erzähle drei Geschichten als Beispiele, die sich leicht vermehren lassen.

 

Morgens im Hotel:

Nach ruhiger Nacht komme ich morgens in die Empfangshalle und werde nicht gut behandelt, „rüde angemacht“.

Natürlich beziehe ich dieses gastunfreundliche Verhalten auf mich, den Gast, obwohl ich mir keiner Schuld bewußt bin. Ich habe nachts keinen Krach gemacht, bin auch nicht angetrunken ins Hotel gekommen. Ich werde ungerecht behandelt und bin recht ärgerlich.

Aber . . . einen Augenblick nachdenken . . . Wenn ich nicht die Ursache der Gereiztheit des Personals bin, dann ist es naheliegend und fast sicher, daß es einen Streit unter ihnen gegeben hat oder einen Anpfiff vom Chef.  Ich war nur das erste Opfer dieser Gereiztheit. Nun könnte mein Ärger in Mitgefühl umschlagen, und wir würden uns gut vertragen.

Ich habe nachgedacht, und nun sehe ich – es ist doch ein nettes Hotel mit netten Leuten.

Ganz einfach. Aber in der Erregung meiner Gefühle ist es eben nicht einfach. Vertrauen, daß meine Nächsten im Hotel es gut meinen, und Nachdenken ersparen Zorn und Streit.

 

Vergiß das Unkraut. Halte Ausschau nach dem Weizen.

 

 

Der/die Morgenmuffel/in:

 

Meine Frau war die liebste und beste, aber . . . liebt sie mich noch? Morgens ist sie manchmal ganz eklig zu mir. Soll ich mir das bieten lassen?

 

Jeder Mensch hat seinen eigenen Rhythmus. Es gibt eine umfangreiche Rhythmusforschung, die nicht mit den Rhythmen einer Jazz-Kapelle zu tun hat, sondern den zeitgebundenen Ablauf unserer körperlichen Funktionen erforscht, z.B. Blutdruck, Blutzucker, Sauerstoffgehalt des Blutes und vieles mehr.

Blutdruck und Blutzucker haben einen 24-Stunden-Rhythmus. Beide sinken ab Mitternacht  ab, um etwa ab 6.00 Uhr morgens bis 12.00 Uhr mittags wieder anzusteigen. Bei manchen Menschen ist diese Kurve sehr flach und beeinträchtigt das Wohlbefinden kaum, bei anderen ist dieser Kurvenverlauf so ausgeprägt, daß sie morgens nur unmutig und griesgrämig aus dem Bett kommen. Ihnen ist wirklich nicht gut; man könnte das messen und objektiv beweisen. Auch ich, als gelernter Arzt, habe daran nicht gedacht und Mißmut und Reizbarkeit meiner Frau auf mich bezogen. Ich kannte solche Gefühle beim Aufstehen nicht. Meine Kurve ist nicht so ausgeprägt. Ich bin wie ein Säugling, der noch keinen 24-Stunden-Rhythmus hat, oder wie ein Hund, den man zu jeder Tag- und Nachtzeit wecken kann. Da könnte man boshaft sagen: Ich bin in meiner Entwicklung eben noch etwas zurückgeblieben. Meine Frau aber hatte den ausgeprägten Rhythmus eines Erwachsenen. Das hätte ich bei meinen medizinischen Kenntnissen schon beim zweiten Mal erkennen können. Vor allem darum, weil meine Frau nach Kaffee und Zigarette wieder ein ganz anderen Mensch war – den ich liebte und der mich liebte. Es hat aber erheblich länger gedauert.

Das Vorschußvertrauen hat mir geholfen, schließlich doch den Zusammenhang zu erkennen. Nicht zu vergessen, daß der Teufel in einer solchen Lage, wo man ärgerlich und unsicher wird, einen großen Vorrat an Standard-Sätzen und -Gefühlen bereit hält, die auf Streit und Zerstörung der Ehe hin programmiert sind.

Die Statistik zeigt seine Erfolge. Darum: Nicht nur klug sein, sondern beten.

 

Der beleidigte Autofahrer:

 

Ich bin eine ausgezeichneter Autofahrer. – So schätzt sich wohl jeder ein, auch wenn er es nich sagt und betont. Meine Frau, die auch nicht schlecht fuhr, legte sich eine Gewohnheit zu, die mir sehr auf die Nerven ging: Wir waren noch keine 10 Minuten gefahren – ich am Steuer –, da hatte meine Frau an meiner Fahrweise zu kritisieren. Das war „unberechtigt“ und tat mir weh. Ich war erst einmal eingeschnappt, und es brauchte einige Zeit, bis wir wieder entspannt nebeneinander saßen.

Eine von den vielen Kleinigkeiten, die eigentlich ganz unwichtig sind, die uns aber ganz wichtig werden.

Es hat lange – Jahre (!) – gedauert, bis ich begriffen habe, was vor sich ging. Einmal, leider erst recht spät, sah ich meine Frau an, wie sie ihre Kritik äußerte, und sah, wie sie beim Reden lächelte. Da ging mir ein Licht auf. Sie meint das wohl gar nicht ernst. Vielleicht ist es nur ein Spiel? Das hat wohl gar nichts mit einer Abwertung meiner Person oder meiner Fahrkünste zu tun?

Mein Vorschußvertrauen und Gottes Hilfe öffnete mir endlich die Augen. Es war offenbar keine „ernst gemeinte“ Kritik, sondern ein kleines neckisches Spiel, eine Morgen-Zeremonie zur Belebung der Gemeinschaft.

Wie sehr freut sich der Verliebte an kleinen neckischen Spielen – später aber findet man sie gar nicht mehr lustig . . .

. . . bis ich erkannt hatte – zuerst mit dem Verstand und dann mit dem Herzen –, daß es ein freundliches Spiel der Verliebten war und weder ernst noch bös gemeint.

 

Diese Geschichte kann man erklären, sich erklären. Aber es ist sehr viel schwerer als bei den ersten beiden Geschichten, wo die Erklärung sachlich, wissenschaftlich und handfest ist.

Und der Teufel schläft nicht, weil er immer hofft, uns durch unsere Eitelkeit und Selbstüberschätzung zu Fall – hier: zum Streit – zu bringen.

So flüstert der Teufel: „Deine Geliebte? Nun siehst du es ja: ein boshaftes, herzloses Weib!“

 

Ich habe mich gewundert, daß ich bei Ehestreit und bei Ehescheidungen immer wieder die gleichen Standardsätze gehört habe. Und so denke ich, daß er Teufel hier der Dichter dieser Sätze ist.

Vor Demut und Gebet ist der Teufel machtlos.

 

Von der Demut des Einsiedlers:

 

1. Petrus 5:

8 Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.

9 Dem widersteht, fest im Glauben.

 

„Den Geist der Keuschheit, der Demut, der Geduld und der Liebe gib mir, Deinem Kinde.“

(Ephraim der Syrer; geboren 306 in Nisibis, gest. 373 in Edessa; Diakon der syrischen Kirche)

 

Ein Einsiedler lebte in einer kleinen Holzhütte in der Tiefe des russischen Waldes. Er hatte sich die Worte des Herrn: „Solche Art fährt nur aus durch Beten und Fasten“ (Matthäus 17, 21) zur Richtschnur seines Lebens gemacht. Im Gebet verbrachte er in tiefer Ruhe seiner Seele die Tage, und was er aß, waren nur Beeren des Waldes und Kräutersuppe, die fast nur aus heißem Wasser bestand. Dem Teufel war er ein großer Dorn im Auge, und schließlich kam ein zäher und einfallsreicher Teufel zu dem Einsiedler, ihn zum Zorn zu reizen.

Früh stand der Einsiedler auf und wollte einen dünnen Tee kochen, aber alles Holz war naß, obwohl es lange nicht geregnet hatte. Es geht auch ohne Tee, sagte sich der Alte und ging in den Wald, Zweige zu sammeln, aus denen er Körbe flocht.

 

Wo keine Wurzeln mit einem Mal im Weg lagen, über die der Einsiedler stolperte und zwischen die Dornen fiel, taten sich Schlammlöcher auf, aus denen er nur mit Mühe und beschmutzt und durchnäßt wieder herauskam.

 

So verging der Tag. Ein Mißgeschick nach dem anderen. Keine fünf brauchbaren Zweige brachte er mit zu seiner Hütte. Müde war er und sehnte sich nur nach dem harten Bett und ein wenig Schlaf. Als er in die Hütte kam, lag der Teufel dick und borstig auf seinem Bett. Der Einsiedler sah ihn fast liebvoll an und sagte: „Du mußt wirklich müde sein nach all den Mühen, die du mit mir hattest. Ruh dich aus, bleib auf meinem Bett. Ich schlafe auf der Erde.“

 

Das nun war zuviel für den Teufel, und er fuhr schnurstracks zurück in die Hölle.

 

Blicken wir auf den Weizen und seien wir geduldig und demütig wie der Einsiedler mit dem Umkraut. Nicht wir – die heiligen Engel werden das Unkraut sammeln. Wir dürfen unsere ganze Kraft, Klugheit und Phantasie nutzen, in der Liebe in unserem Gegenüber den Weizen zu entdecken. Unser Vertrauen, daß wir miteinander in Frieden leben, daß der Weizen, und wenn er noch so klein ist, unser gemeinsames Leben bestimmt, ist der Weg, auf dem wir immer neu der Herrlichkeit der Liebe begegnen.

 

Mit dem letzten Vers des Gebetes Ephraim des Syrers schließen wir unsere Gedanken und vertrauen uns ganz dem Herrn an, Jesus Christus in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Heiligen Geiste:

 

     O Herr, König, gib mir Erkenntnis meiner Sünden

     und laß mich nicht meinen Bruder richten,

     denn DU bist hochgelobt in die Ewigkeiten der Ewigkeiten.

 

     Amen! 


 


[1] androgyn = männliche und weibliche Merkmale aufweisend, vereinigend.

 

 (Herr Eberhard Backhaus, Berlin, hat freundlicherweise diese schriftliche Fassung erstellt und um einige

  Erläuterungen ergänzt.)

 

Weitere Vorträge:

www.hamburg-hram.de

A.Backhaus, Vom Geist der Demut, der Geduld und der Liebe; Kath.Akad. Hamburg 2006

(am Kerzenstand erhältlich)