Heiliger Bischof Nikolaus von Myra (6./19.12.)

Tropar (4. Ton):

 

„Regel des Glaubens und Vorbild der Milde,

Lehrer der Enthaltsamkeit

Bist du deiner Herde wahrhaft gewesen.

Deshalb wurde deiner Demut Erhöhung zuteil

Und deiner Armut Reichtum.

Heiliger Bischof Nikolaus,

bitte Christus, unseren Gott,

zu erretten unsere Seelen.“

 

Über diesen populären Heiligen sind kaum sichere historische Lebensdaten bekannt. Aus  Kleinasien stammend, soll er Opfer der Christenverfolgungen unter dem römischen Herrscher Diokletian gewesen, von Kaiser Konstantin befreit und Teilnehmer des 1. Konzils in Nikaia 325 gewesen sein. Von seinem Kampf gegen das Heidentum bis hin zur Zerstörung von Tempeln zeugt sein Name: „Sieg des Gottesvolkes“ (Niko-laos).

Die erste ihm geweihte Kirche ließ Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert in Konstantinopel errichten, Rom übernahm die Verehrung des heiligen Bischofs im 8. Jhdt., und in Deutschland wurde der Nikolaus-Kult im 10. Jhdt. durch die griechische Ehefrau Ottos II., Kaiserin Theophanu, gefördert. Der damalige Brauch, die Kinder vom hl. Nikolaus beschenken zu lassen, basiert auf dem „Bischofs-Spiel“ in Klosterschulen, wo – als „umgekehrte Ordnung“ - ein Schüler für einen Tag als „Bischof“ auftreten und über die Erwachsenen Gericht halten durfte. Später trat aber der hl. Nikolaus als der „Richter“ über die Kinder auf. 

 

Nach der Zerstörung der Stadt Myra durch die  Srazenen 1034 wurden die wundertätigen Gebeine des hl. Nikolaus 1087 geraubt und nach Bari (Süditalien) überführt, wo sie seither von zahlreichen Pilgern im 1089 von Papst Urban II. geweihten Heiligtum verehrt werden.

Das Übertragungs-Fest wird am 9./22. Mai gefeiert.

 

Unsere Festikone ist die einzige verbliebene Erinnerung an die 1901 geweihte Nikolaus-Kapelle der Hamburger russisch-orthodoxen Gemeinde (s. „Geschichte“).  Sie wird gewöhnlich im Altarraum verwahrt.

 

 

P. Nikolai Wolper                                      Predigt                                      Lübeck 18.12.2005

 

 

                26. Sonntag nach Pfingsten: „Christi Wohlgeruch sind wir“ (2 Kor 2,15)

 

 Zum Fest des hl. Bischofs Nikolaus von Myra

 

             Der gute Hirte

 

Liebe Brüder und Schwestern

 

ab heute abend feiern wir das Gedächtnis des hl. Bischofs Nikolaus von Myra, des Wundertäters.

Wohl kein Heiliger – außer der Gottesmutter – wird in der ganzen christlichen Welt so verehrt und geliebt wie er;

selbst Muslime sprechen voller Hochachtung von ihm – so wie der Schüler einer 7. Klasse, der stolz darauf ist,

dass der hl. Nikolaus „in der Türkei“ gelebt hat. Dort liegt das frühere Lykien heute.

Wer weiß schon, dass der „Weihnachtsmann“ der volkstümliche „Nachfolger“ des hl. Nikolaus und der rote Kapuzenmantel in der römischen Kirche zur Amtstracht der Bischöfe gehörte?  Manchmal fürchteten sich früher die Kinder  vor der strafenden Rute des Nikolaus-Weihnachtsmannes; aber eigentlich vertrauten sie doch auf seine Barmherzigkeit und Milde. Denn er kam in der Vorfreude auf die Feier der Menschwerdung Gottes als „Christkind“.

 

Alle die vielen Wundergeschichten, die sich schon zu seinen Lebzeiten in Stadt und Land verbreiteten, haben nur den einen Inhalt, der die geplagten und verängstigten Menschen immer wieder in den Bann zog und den Ruhm dieses gottbegnadeten Zeitgenossen Konstantins d.Gr. begründeten: die grenzenlose Fürsorge und Liebe, mit denen er als Retter in der Not zu Hilfe kam, worin das Unglück der Bedürftigen auch immer bestand:

 

Das erste Rettungswunder galt drei unschuldig zum Tod verurteilten Feldherren, die angeblich an einem Soldatenaufstand beteiligt gewesen waren. In letzter Minute konnte der herbeigeeilte Bischof dem Henker das Schwert entreißen und riskierte dabei sein eigenes Leben. Das Todesurteil wurde aufgehoben; aber nach Konstantinopel heimgekehrt, wurden sie erneut Opfer von Verleumdungen, und dieses Mal konnte der hl. Nikolaus sie nur retten, indem er dem Kaiser selbst im Traum erschien und ihm die Wahrheit offenbarte – wie ein Engel des Herrn im irdisch-menschlichen Gewand.

An solche göttlichen Gnadenerweise erinnerten sich später auch Männer in höchster Seenot, die den Heiligen zu Hilfe riefen und durch die Gegenwart seiner Erscheinung beruhigt wurden und besonnen das Unwetter überstehen konnten.

Geschichten wie diese haben über den einzelnen Anlass hinaus einen tiefen allgemeingültigen Sinn, kann doch jeder Mensch das Bild der stürmischen Seefahrt und der Angst vor dem Untergang auf sein eigenes Leben beziehen und in dem weisen Zuspruch, den Blick auf den eigentlichen Retter, Jesus Christus, zu lenken, Hilfe und Seelenruhe erfahren.

 

Dass er gerade für Kinder eine beglückende und die weihnachtliche Vorfreude beflügelnde Gestalt wurde, geht auf eine andere typische Geschichte zurück, die uns gerade heutzutage mit dem Blick auf die verzweifelte Lage vieler Menschen in armen Ländern, auch in Osteuropa, voller Scham berühren mag:

Ein in seiner Armut verzweifelter Vater sah keine andere Möglichkeit, das Überleben der Familie zu sichern, als seine drei Töchter an ein Bordell zu verkaufen. Obwohl noch jung und nicht in Amt und Würden, aber Erbe eines großen Vermögens, wirft der hl. Nikolaus nachts heimlich Beutel mit Geld durch das Fenster, bis der überraschte und verwirrte Vater ihn schließlich ertappt und die große Wohltat öffentlich bekannt machen will. Aber der hl. Nikolaus verpflichtet ihn zum Schweigen.

Der volkstümliche Brauch, die Schuhe der Kinder in der Nacht mit Geschenken zu füllen, (und später der Sack des „Weihnachtsmannes“) erinnern von fern an diese Menschenliebe des Heiligen, der hier eigentlich als Anwalt der Menschenwürde, wie wir heute sagen, aufgetreten war.

 

Noch viele andere Befreiungsgeschichten künden von diesem „Vorbild der Milde“ (Tropar), aber auch der standhaften Rechtgläubigkeit in den Streitigkeiten mit den Gegnern, die Jesus Christus nicht als wahren Gott anerkennen wollten, als das Glaubensbekenntnis in Nizäa verkündet wurde. Damit hat er seinem Namen („Sieg des Gottesvolkes“: Niko-laos) alle Ehre gemacht.

 

Legenden sind keinen frommen, aber unwahren Erzählungen, sondern „Wort-Ikonen“, die die geistige Gestalt eines Heiligen vergegenwärtigen. So war der hl. Nikolaus bereits zu Lebzeiten für die Gläubigen das vollkommene Bild eines Bischofs gewesen – des „guten Hirten“, der sein Leben für seine Herde einsetzt und den verlorenen Schafen nachgeht um sie zu retten. Schon die Propheten hatten die Königswürde mit der Haltung des guten Hirten verbunden in der Erwartung des Messias, der das Volk Israel erlösen werde (Ez 34); und der Herr Selbst machte sie sich zu eigen (Joh 10; Mt 9,36; Mk 6,34). Im Brief des hl. Petrus, des ersten Bischofs von Rom, werden deshalb die Gemeindevorsteher auf dieses Vorbild verpflichtet (1 Petr 2,25; 5,4). “Christus der gute Hirte“ mit dem Schaf auf der Schulter gehört zu den ältesten Wandbildern der Katakomben, in denen sich die verfolgten Christen zum Gottesdienst versammelten und das Kommen des Herrn in der Eucharistiefeier erwarteten.

Wenn den orthodoxen Bischöfen als Zeichen ihres Amtes das große Omophor umgelegt wird, so stehen sie vor uns und dem ganzen Erdkreis da als Abbilder des eigentlichen Retters der Welt, Seiner unerschöpflichen Barmherzigkeit und Güte – „denn Er ist gut und menschenliebend“, wie uns die Segensformel immer wieder versichert. „Auf die Schultern nimmst Du die irrende Natur, Christus, und trägst sie zum Himmel und führst sie Deinem Gott und Vater zu.“ (Gebet beim Anlegen des Omophors). Im Bischof ist Christus Selbst gegenwärtig und als eine solche „Ikone“ des Erlösers ist uns auch die Hierarchen-Gestalt  des hl. Nikolaus vertraut.

 

Es ist kein Zufall, dass den Gräbern dieses Heiligen wohlriechendes Öl entströmt – zuerst in Myra, dann nach der Überführung seiner Gebeine aus der zerstörten Stadt 1087 nach Bari, das seither zum Wallfahrtsort auch der Trost und Heil suchenden westlichen Christenheit wurde. „Wohlgeruch Christi“ zu sein, war nicht nur der Anspruch der Apostel (2 Kor 2,15), sondern ist die Frucht der Vereinigung mit unserem Herrn Jesus Christus, die uns in den Mysterien der Taufe und Myronsalbung geschenkt wird, wie der große Theologe Nikolaus Kabasilas (14.Jh.) uns so eindringlich erklärt, ja geradezu beschwört als Ziel unseres Lebens, wohin uns die Heiligen vorangehen:

 

          „Man sieht, wie Christus sich uns eingießt und sich mit uns vermischt, wie er aber auch uns verändert und umwandelt auf sich selbst hin, wie einen Wassertropfen, den man in einem grenzenlosen Ozean von Myron geschüttet hat. Und die Macht des Myron, in das wir hineinstürzen, ist so groß, dass es uns nicht einfach nur duftend macht, und auch nicht nur Myron atmen lässt, dass es vielmehr unseren ganzen Zustand zum Wohlgeruch jenes Myron werden lässt, das unseretwegen ausgegossen wurde. Es heißt ja: ‚Christi Wohlgeruch sind wir’.“ (Sartory, S.104)

 

Die Kirche widmet jeden Donnerstag nicht nur den heiligen Aposteln, sondern auch dem hl. Nikolaus als der typischen Bischofsgestalt schlechthin. Im Festtropar, das allen heiligen Bischöfen gewidmet ist, werden die wesentlichen Merkmale des Hirtenamtes vergegenwärtigt: Und im Kanon des Morgengottesdienstes an den Donnerstagen des 6. Tons singt die Kirche (6.Ode):

 

   „Geistiger Lichtträger bist du für die Schöpfung, Nikolaus;

     erleuchtet wird sie durch die Strahlen deiner außergewöhnlichen Wunder.“ (Heiser, S.94)

 

                                                                                                               Amen.

 

             

 Literatur:

      L. Heiser, Nikolaus von Myra. Heiliger der ungeteilten Christenheit; Trier 1978

G.u.Th. Sartory: Der Heilige Nikolaus – Die Wahrheit der legende; Freiburg i.Br. 1981

Ökumenisches Heiligenlexikon (Hg. J.Schäfer); Stuttgart 1999-2006 (CD-Rom)

 

Bericht über die Pilgerfahrt nach Bari durch eine Gruppe unserer Diözese: Bote 4/2002, S.19 ff.

Bericht über die Ausstattung der Kapelle des hl. Nikolaus der Kathedralkirche in München: Bote 5/2005, S.20 ff.