Ölsalbungen

(P. Nikolai Wolper)

„Gebieter, Herr, Gott unserer Väter, der Du den Menschen in der Arche Noahs
eine Taube, die einen Ölzweig im Schnabel hatte, als Sinnbild der Versöhnung
und Errettung von der Sintflut gesandt und durch sie das Mysterium der Gnade
vorgebildet hast...“ (Weihe des Katechumenen-Öls)

In vielen kirchlichen Segenshandlungen wird geweihtes Öl als Zeichen des Heils verwendet. Schon in der Antike waren seine kräftigenden und heilenden Wirkungen bekannt, und die Athleten salbten vor sportlichen Wettkämpfen ihren ganzen Körper mit diesem Schutzmittel um dem Angriff der Gegner zu entgleiten.

So werden Taufkandidaten mit Katechumenen-Öl, das der Priester zuvor durch die Herabrufung des Hl. Geistes geweiht hat, sinnbildlich zu Mitkämpfern gegen das Böse gesalbt. (Der Taufgottesdienst beginnt mit der Absage an den Teufel, dem Exorzismus, und der Hinwendung zu Christus als dem Herrn der Welt.) Die Griechen ölen heute noch den ganzen Körper der Täuflinge, während die meisten Orthodoxen sich aus praktischen Gründen auf die Salbung der Sinne, des Mundes und der Gliedmaßen beschränken um die Körperteile, die in Wahrnehmung und Handeln den Kontakt mit der Umwelt vermitteln, zu schützen. Die Salbung der Brust meint eigentlich das „Herz“ als ganzheitliches Zentrum des Menschen.

Auch bei der Wohnungsweihe gilt die Ölsalbung sinngemäß den Fenster- und Türrahmen als den Öffnungen des geschützten Raumes zur Außenwelt.

Die in gleicher Weise wie die Katechumenensalbung vollzogene sehr ausführliche siebenmalige Krankenölung im „Mysterium (Sakrament) des hl. Öles“ dient der Gesundung an Leib und Seele und ist ganz und gar geprägt von der Gesinnung der Buße. (Christus sprach dem Gelähmten vor der Heilung die Sündenvergebung zu; Mt 9,18, Mk 2,1-12) Die eigentliche Heilung ist die Wiederherstellung einer ungestörten Beziehung zu Gott, was auch zum Ausdruck kommt in der Mischung des geweihten Öles mit Wein als Sinnbild des Blutes des Herrn, Der uns am Kreuz mit Sich durch Seine liebende Hingabe versöhnt hat. Und sie erinnert an das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samariter, der mit Öl und Wein die Wunden des von Räubern Verletzten gelindert hat. (Lk 10,34) In der Großen Fastenzeit kann der Bischof mit den Priestern dieses Sakrament auch an Bußbereite, die nicht im medizinischen Sinn krank sind, spenden. Es ist dann immer ein Gottesdienst der ganzen Gemeinde.

Als Symbol des neu keimenden Lebens werden nicht nur in dieser sakramentalen Ölsalbung Weizenkörner verwendet (Mk 4,1-10; Joh 12,24; 1 Kor15,36-38), sondern auch bei der „Litia“, der Segnung von Öl, Brot und Wein am Ende der Vesper vor den Hochfesten am Eingang der Kirche (so dass früher auch die Taufbewerber teilnehmen konnten). Die Litia wird eingeleitet durch Festgesänge und die Beweihräucherung der Ikonen und Menschen und durch sehr ausführliche Fürbitten unter Anrufung zahlreicher Heiliger („Rette, Herr, Dein Volk und segne Dein Erbe...“). Den Höhepunkt bildet die Segnung dieser Gaben, die im folgenden Morgengottesdienst (Orthros, Utrenja) bei der feierlichen Verehrung der Festikone ausgeteilt werden: Mit dem Öl werden die Gläubigen an der Stirn gesalbt, und mit dem Wein getränkte Brotstücke erhalten sie zur Stärkung.

Eine besondere Bedeutung hat das zum Mysterium (Sakrament) der Firmung im Anschluss an die Taufe verwendete sehr aromatische Myronöl, das der Patriarch am Gründonnerstag für die gesamte Kirche weiht und den Priestern anvertraut. Die „Versiegelung mit dem Hl. Geist“ an Sinnesorganen, Mund, Brust und Gliedmaßen verleiht dem Kandidaten die Teilhabe am „allgemeinen Priestertum der Getauften“, das – entgegen der Lehre der reformatorischen Kirchen - im apostolischen Priestertum der sakramental geweihten Amtsträger (ohne weitere Ölung) vollendet wird.

- Zum Thema „Krankenölung“ gibt es einen Vortrag von V. Ambrosius in der entsprechenden Rubrik. -