(P. Nikolai Wolper)
Wir über uns
Die erste russische Gemeinde in Hamburg wurde 1901 mit einer Hauskapelle im heutigen Pöseldorf gegründet. Seeleute, Emigranten, später auch Kriegsgefangene fanden dort ihre geistliche Heimat. Nach dem zweiten Weltkrieg stießen auch Deutsche – zuerst über orthodoxe Ehepartner, später durch persönliche Bekanntschaft und über das öffentliche Wirken des Chors - zur Gemeinde, in der auch die deutsche Sprache einen gewissen Stellenwert erhielt. 1965 wurde die im russischen Stil neu erbaute Kirche in der Hagenbeckstraße geweiht und diente viele Jahre als Kathedrale des damals in Hamburg ansässigen Erzbischofs von Berlin und Deutschland. (Seit über 25 Jahren leitet S.E. Erzbischof Mark die Diözese vom russischen Kloster in München aus.)
1. Mitglieder
Die orthodoxen Kirchen lassen – obwohl Körperschaften öffentlichen Rechts - keine Kirchensteuern erheben, so dass die Mitgliedschaft in der Regel nicht registriert wird, sondern sich durch die Teilnahme an den Sakramenten verwirklicht. (Nur Wenige verpflichten sich zur Zahlung eines selbst bestimmten monatlichen Beitrags und sind wahlberechtigt für die Gemeinde-Gremien.) Deshalb lässt sich die Frage nach der Größe der Gemeinde nicht beantworten. Die Kirche lebt ausschließlich von Spenden, so dass die Orthodoxen sich für die Aufrechterhaltung des Gemeindelebens selbst verantwortlich fühlen. (Der 2. Priester ist im weltlichen Beruf Gymnasiallehrer.) Ein Kreis von Frauen hat eine der hl. Elisabeth von Russland geweihte Schwesternschaft gegründet und übernimmt Aufgaben bei der Ausstattung und Reinigung der Kirche, der Vorbereitung der Gemeinde-Tees an Sonn- und Festtagen und der sozialen Betreuung von Kranken und Alten.
2. Gottesdienste
„Orthodox“ bedeutet nicht nur „rechtgläubig“ (alle Dogmen der ungeteilten Kirche blieben in der auf den ersten sieben „ökumenischen“ Konzilien definierten Form verbindlich), sondern vor allem „rechter Lobpreis,
rechte Verherrlichung" des Dreieinen Gottes, weshalb die feierlichen Gottesdienste der grundlegende Ausdruck und das Zentrum des ganzen religiösen Lebens sind. Sie werden überwiegend in kirchenslawischer Sprache gehalten (nach dem großen Zustrom durch die Einwanderer seit 1990 verstärkt), aber – besonders am
ersten Sonntag im Monat (und dem zugehörigen Vorabend-Gottesdienst) – auch in Deutsch.
Die musikalische Gestaltung liegt vollständig in den Händen des Chors, weil Instrumente nach orthodoxer Tradition dem personalen Ausdruck des Lobpreises nicht entsprechen.
Die Eucharistiefeier („Hl. Messe“) wird "Göttliche Liturgie"genannt und dauert wie auch die Vorabendgottesdienste ("Nachtwache", bestehend aus der Vesper und dem Morgen-amt)
über zwei Stunden (an Feiertagen auch länger). Dass viele Besucher erst lange nach dem Beginn kommen oder vorzeitig gehen, ist zwar nicht sinngemäß, drückt aber aus, dass unsere Kräfte begrenzt sind, zumal in der extremen Diaspora die Anreise-Wege sehr lang sein können. So klinkt sich jeder nach seinen Möglichkeiten in das Geschehen ein. Wir alle bilden in den heiligen Handlungen nur unvollkommen ab, was in der Kuppel urbildlich erscheint: die Himmlische Liturgie der Engel, die unermüdlich den Schöpfer verherrlichen.
(Der Allherrscher – Pantokrator – hält als Schlussstein die Kuppel an der höchsten Stelle zusammen.)
Die Kinder dürfen sich – in Grenzen – unbefangen frei im Kirchenraum bewegen und fühlen sich in der geheimnisvollen Atmosphäre zuhause. Ebenso willkommen sind stets fremde Besucher, auch wenn sie nicht alles verstehen und nicht alle Verhaltensweisen der „Eingeübten“ mit vollziehen können (Aufstellen von Kerzen, Küssen der Ikonen, häufige Bekreuzigungen und Verbeugungen; etc.) Es kommt nicht darauf an „perfekt“ zu sein und alles „richtig“ zu machen, sondern die Nähe des für uns alle Mensch gewordenen Gottes zu suchen und Seine Schönheit und Liebe zu erfahren.
(Am Ende des Wortgottesdienstes mit den Bibellesungen als Höhepunkt werden zwar immer noch die „Katechumenen“ – die Ungetauften – „entlassen“; aber das ist nur der Respekt vor der Tradition. Keiner wird vom anschließenden eucharistischen Teil, der mit der Gabenübertragung im „Großen Einzug“ beginnt, ausgeschlossen.)
Mittelpunkt der vorabendlichen Nachtwachen ist das feierliche Heraustragen und Verehren der Festikone oder des kostbaren Evangelienbuches aus dem Altarraum in die Mitte der Kirche.
Dass russische Orthodoxe in der Kirche stehen und deshalb Bänke fehlen, ist Ausdruck sowohl des „Respekts“ vor Gott als auch der Würde der Menschen als „Bilder Gottes“, die wie die Ikonen mit Beweihräucherung geehrt werden: Wir dürfen Christus, Der uns aus den Ikonen anschaut, „auf Augenhöhe“ begegnen. Sitzen ist entspannend, aber keine aktive Gebetshaltung.
3. Orthodoxes Leben
Zum orthodoxen Leben gehört die sinnfällige Erfahrung der Gemeinschaft des Leibes Christi: Die Verstorbenen sind ihnen nahe durch das häufige Gebet für sie; die Gläubigen verabschieden sich von ihnen nach Möglichkeit mitten in der Kirche am offenen Sarg. Den von Gott als Heilige Berufenen – allen voran die Gottesmutter Maria -, in denen die göttliche Gnade aufleuchtet, begegnen sie in den geweihten Ikonen als Fenstern und Wegweisern zu Christus. Deshalb werden diese Bilder mit Weihrauch, Verbeugungen und Küssen verehrt. Die zahlreichen Feiertage – neben den Hochfesten des Herrn und der Gottesmutter auch die Gedächtnisse vieler Heiliger der noch ungeteilten und der russischen Kirche, auch der neuen Märtyrer des 20. Jhdts. – drücken diese Leben und Tod umspannende Gemeinschaft aus. Nach der Liturgie werden oft kurze Gebetsandachten (Moleben) für Kranke oder als Reise-Segen sowie Totengebete (Pannichida) bestellt. Dabei liest der Priester die Namenslisten, die die Gläubigen ihm übergeben. (Auch für die Gabenbereitung, die der Priester vor der Liturgie im Verborgenen vollzieht – darin das 30-jährige verborgene Leben Jesu vor Seinem öffentlichen Wirken abbildend -, lassen die Gläubigen kleine Opferbrote – Prosphoren – mit solchen Namenslisten in den Altarraum bringen. Sie erhalten sie am Ende zurück. Der Priester hat für die genannten Lebenden und Verstorbenen Brotstückchen herausgeschnitten und um den Leib Christi auf dem goldenen Abendmahls-Teller versammelt.)
Je nach Bedarf und verfügbarer Zeit können Kinder (in einer anderen Gruppe Jugendliche und Erwachsene) im Religionsunterricht (bzw. Gesprächskreis) über Fragen des orthodoxen Glaubens und Lebens mit einem Priester sprechen (in der Regel deutsch).
4. Sakramente
Die Neugeburt in der hl. Taufe im Namen der Hl. Dreieinigkeit wird durch dreimaliges Untertauchen – auch bei Erwachsenen – vollzogen, um das Mitsterben und –auferstehen mit Christus zu gewahren. Mit dem anschließenden Sakrament der hl. Myronsalbung (Firmung) werden dem Getauften die Gaben des Heiligen Geistes geschenkt, wodurch er Vollmitglied der orthodoxen Kirche wird. Im Empfang des Hl. Abendmahls – gereicht in beiderlei Gestalt – erfahren die Mitglieder die intimste Begegnung mit Christus, auf die sie sich mit Fasten, Gebeten und der hl. Beichte intensiv vorbereiten.
(Weil die hl. Kommunion der höchste Ausdruck der Einheit der kirchlichen Gemeinschaft ist und nicht das Mittel zu ihrer Herstellung, können nur orthodoxe Christen sie hier empfangen. Das bei der Gabenbereitung abgetrennte Brot – Antidor – hingegen, das am Schluss der Liturgie nach der Verehrung des Segenskreuzes verteilt wird, können als Ausdruck der Gastfreundschaft Jesu alle Anwesenden annehmen. Es ist nicht der heilige Leib Christi wie bei der Kommunion.)
Weitere Sakramente sind die Trauung, die Krankensalbung und die Priesterweihe. (Die Priester sind in der Regel verheiratet. Die Bischöfe sind Mönche.)
5. Kirchenjahr
Das slawische Kirchenjahr richtet sich nach dem alten julianischen Kalender, der heute 13 Tage hinter dem bürgerlichen gregorianischen Kalender zurück bleibt, so dass z.B. Weihnachten am 6. und 7. Januar gefeiert wird Die Griechen haben den Kirchenkalender inzwischen umgestellt, aber das Osterfest als absoluten Höhepunkt des Jahres begehen alle Orthodoxen gemeinsam nach der tradierten Berechnungsgrundlage (Frühlingsanfang am 7. 4. statt 20.3.). Die Feiern werde vorbereitet durch die 40-tägige sehr strenge „Große Fastenzeit“. (Drei weitere Fastenzeiten und einzelne Fastentage in der Woche gliedern das Jahr in einen Rhythmus von Enthaltungs- und Feier-Phasen. Hierin, wie auch in der intensiven Beteiligung des Körpers am Gebet mit allen Sinnen – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten und Bewegungen durch Bekreuzigen und Verbeugen - erfahren die Orthodoxen die Einheit von Körper, Seele und Geist. Dem ganzen Menschen ist die Erlösung verheißen.)
6. Gemeinde-Tee
Gerade hier in der extremen Diaspora ist die russische Kirche auch ein Ort sozialer Kontakte über die Kulturen und Nationalitäten hinweg. Der Imbiss (die Agape) nach der Göttlichen Liturgie an den Sonn- und Feiertagen gehört deshalb zum festen Bestand des Gemeindelebens. Dazu sind alle Gottesdienst-Teilnehmer eingeladen.
Genaueres zu diesen und anderen Themen ist in den entsprechenden Kapiteln dieser Website zu finden.
„Praktische Literatur“ in deutscher Sprache (am Kerzenstand zu erwerben):
1. Ausführlicher Kirchenführer
2. Orthodoxes Gebetbuch (enthält auch die Göttliche Liturgie)
3. Text der Göttlichen Liturgie
4. Liturgische Texte zu den einzelnen Tagen der 1. Woche der Großen Fastenzeit
5. Liturgische Texte zu den einzelnen Tagen der Karwoche (auch Palmsonntag und Osternacht)
7. Ausführlicher Orthodoxer Kirchenkalender (Hinweise zu jedem Tag) – jeweils zum Jahresbeginn