Dez. 2006 (P. Nikolai Wolper)


Die neuen Glocken der Kirche des sel. Prokop

Seit Dezember 2006 verfügt die Gemeinde nach jahrelangen Beratungen und der Prüfung vieler Angebote über eine würdige Ausstattung mit neun Glocken, die von der bewährten Gießerei Nikolai Schuwalow im Kreis Jaroslawl nach traditioneller Weise geschaffen wurden. Die vier bisherigen Glocken waren ein Provisorium, aus dem Hamburger Hafen nach Kriegsende geborgen und später freundlicherweise der Kirche des sel. Prokop geschenkt. Eine harmonische Abstimmung der Klänge war unter diesen Umständen nicht möglich; die große Glocke war überdies beschädigt, so dass die Schönheit und Symbolkraft der einzigartigen traditionellen russischen Kultur des Läutens sich nicht entfalten konnten.

Die Anlieferung und Aufhängung der neuen Glocken erforderte Präzisionsarbeit des Kranführers und engagierter Gemeindemitglieder wegen der Lindenallee vor dem Grundstück und der engen Maueröffnungen im Turm. Dass eigens Teile der Hecke vorübergehend ausgegraben werden mussten, war hinterher nicht mehr zu bemerken.

Anders als die frei schwingenden Glocken der westeuropäischen Kirchen, hängen die russischen fest an ihren Trägern und werden per Hand über Seile von innen mit den Klöppeln angeschlagen. Typisch ist der große Kontrast zwischen vielen kleinen, hell tönenden und wenigen großen Glocken. Dabei gibt es bestimmte Klangmuster je nach den Anlässen und Phasen des Gottesdienstes, aber keine melodischen Tonfolgen, sondern eine „Verbindung von lebhaftem Rhythmus und kräftigem Dröhnen“, ja „harmonischem Lärm“, mit der die anorganische Materie auf den göttlichen Ruf antwortet. Sie haben nicht die Funktion von Musikinstrumenten, wie sie in der westlichen Kirchenmusik gebräuchlich sind, denn nach orthodoxem Verständnis ist das Gotteslob ein personales Geschehen und deshalb gebunden an die menschliche Stimme. Es handelt sich um eine rhythmisch-obertonale (timbrale) Musik, deren Einheit durch die große Glocke gestiftet wird. V. Iljin vergleicht sie mit dem Vogelgezwitscher, das ohne komponiert zu sein doch nicht disharmonisch klingt. Wenn im Organismus der Kirche die geweihte Geistlichkeit der Führung durch den Geist entspricht und das gläubige Volk die Leben einhauchende Seele bildet, so sind die Glocken der schwingende Leib, eigenen Gesetzen der Materie folgend und doch mit den anderen Gliedern zur Einheit verbunden.
(Vgl. dazu: Bote 6/2003; S. 22f.)

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Glocke „Verkündigung“


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Glocke „Vielerbarmen“, gew. E.P. Ambrosius Backhaus

Die größte Glocke („Verkündigung“) hat einen Durchmesser von fast 1 m, wiegt 750 kg und trägt Relief-Ikonen der Hl. Dreieinigkeit, Christi, der Gottesmutter von Kasan und des hl. Prokop.
Das Motto: „Verkündet auf Erden große Freude, preiset in den Himmeln Gottes Herrlichkeit!“. Die kleinen Glocken sind zwischen 25 und 60 cm groß und wiegen 8 bis 110 kg. Die zweitgrößte Glocke („Vielerbarmen“); nach dem festlichen Psalmgesang im Morgenamt) ist dem Erzpriester Ambrosius Backhaus der über fünfzig Jahre in Hamburg und Lübeck gewirkt hat (gest. 2005), gewidmet und aus Spenden von Gemeindemitgliedern, Freunden und Verwandten finanziert. Ihre Maße betragen 75 cm und 220 kg. Die Relief-Ikone zeigt den hl. Ambrosius von Mailand. (Es traf sich, dass die Aufhängung gerade an dessen Festtag, 7./20.12., geschah.).
Die Glocke trägt den Wahlspruch von Vater Ambrosius: „Rede, Herr, Dein Knecht hört!“ (1 Sam 3,10).

An die biblische Grundlage des Geläuts erinnert der Weihe-Gottesdienst mit der Lesung aus Num (4. .Mose) 10, 1-10, wonach Gebet und Opfer, aber auch Freudenfeiern und Schlachten zur Abwehr feindlicher Angriffe begleitet werden sollen vom Blasen silberner Trompeten durch Priester. Das orthodoxe Hauptbeugungs-Gebet bei der Weihe vergegenwärtigt den Fall der Mauern von Jericho durch die Trompeten der sieben Priester, die dem Zug der Bundeslade mit dem göttlichen Gesetzes-Tafeln vorangingen (Jos 6), und bezieht die Abwehr feindlicher Kräfte durch die Luft auch auf Naturgewalten wie Unwetter.

Abgeschlossen wird die Weihe-Feier durch Tropare wie dieses letzte im 4. Ton:
„Der Du alles im Anfang durch Dich allein
unmittelbar erschaffen hast, Herr ,
jetzt aber alles tust mittelbar,
durch die Stimme dieser geweihten Glocken vertreibe alle Mutlosigkeit und Trägheit
aus den Herzen Deiner Gläubigen;
Deine Furcht und Frömmigkeit aber pflanze in sie ein
und mache sie durch Deine Kraft eilig zum Gebet und bereit zu jedem guten Werk,
indem Du uns von allen feindlichen Nachstellungen erlöst
und uns unbeschädigt von der Dürre ungünstiger Witterung erhältst;
durch die Gebete der Gottesgebärerin und aller Deiner Heiligen,
als einzig Barmherziger.“

(/Maltzew; Bd X, S.1094-1111).