Fresko "Hl. Dreieinigkeit"

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Zur Ikone der Heiligen Dreieinigkeit

(P. Nikolai Wolper)

1. Das Problem

Das größte Geheimnis des christlichen Glaubens und die unaufgebbare Unterscheidung von allen anderen Religionen ist die Verkündigung des hl. Apostels Johannes: ,,Gott IST die Liebe." Er liebt nicht nur Seine Geschöpfe, sondern Er ist selbst die vollkommene Liebes-Einheit der drei göttlichen Personen, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes - eines Wesens und doch verschieden, nicht nur in ihrem Wirken zum Heil der Welt, sondern vor aller Zeit und in alle Ewigkeit das Urbild aller Beziehungen, zu der die Geschöpfe als Bilder Gottes berufen sind. Gerade dieses Mysterium, das die Welt begründet, stellt die größte Herausforderung für die sichtbare Vergegenwärtigung in der Ikone dar.

Nur der Sohn hat sich in direkter Weise abbildbar geoffenbart: als wahrer Mensch. Der Vater hat keine innerweltliche Gestalt angenommen (schon gar nicht die eines alten Mannes mit weißem Bart), und der Hl. Geist verhüllte Seine Personalität im Bild der Taube und der Feuerflammen. Sollten nur die abstrakten Figuren der Geometrie, das Dreieck oder das Muster dreier einander überschneidender Kreise, auf das Geheimnis der Hl. Dreieinigkeit verweisen können?

2. Die Lösung: Die ,,Gastfreundschaft" (Philoxenia)
Schon früh stießen die Christen bei der Suchen ach Spuren in der Hl. Schrift, nach Wegzeichen in der Heilsgeschichte des Alten Bundes, auf die rätselhafte Szene im Hain Mamre, wo Abraham und Sarah Besuch erhielten von drei Männern, die ihnen auf ihre alten Tage die Geburt eines solange ersehnten Sohnes (Isaak) verhießen (Gen 18,1-10). Erst im nachhinein erkannte das verwunderte Paar in den Besuchern Boten Gottes, Engel. So wurde die ,,Gastfreundschaft" zur zentralen Ikone des christlichen Gottesverständnisses als Vorabbildung der Offenbarung der Hl. Dreieinigkeit. (Vgl.Heb13,2)

Der Widerspruch, das Gottes-Geheimnis sichtbar zu vergegenwärtigen, und damit orthodoxem Verständnis gemäß erfahrbar zu machen, fand seine Lösung nicht in der Illustration der Drei-Einheit der Liebes-Beziehung, die Gott ist (wie in der beliebten Darstellung der ,,Neutestamentlichen Dreieinigkeit", in der ein alter Mann, ein Jüngling und eine Taube gruppiert werden), sondern in der Symbolisierung durch drei Engel-Gestalten, die die Unerkennbarkeit des göttlichen Wesens wahren, aber die Einheit und Verschiedenheit der drei göttlichen Personen ausdrücken. Dazu musste die Kirche sich in einem langen Reifungsprozess der Bildwerdung immer mehr befreien von dem Bedürfnis, die biblische Erzählung möglichst anschaulich auszumalen. Immer wieder- bis in die Gegenwart -wurde die Szene üppig ausgestaltet mit Abraham und Sarah, die ein Kalb schlachten und die Gäste am reich gedeckten Tisch geschäftig bedienen. Aber so lenkt das Bild vom Wesentlichen gerade ab.

3. Die Vollendung durch den hl. Andreij Rubljow (um 1360 - 1430):

Tropar (3. Ton):

"Von Strahlen des göttlichen Lichtes
war'st erleuchtet du, heiliger Andrej,
Christus erkanntest du,
Ihn, Der Gottes Weisheit und Kraft ist.
Durch die Ikone der Heiligen Dreifaltigkeit
hast du aller Welt gepredigt über
die Einheit in der Heil'gen Trinität. Wir aber
mit Bewunderung, mit Freude zugleich,
rufen dir zu:
Den Freimut ja besitzest du
gegenüber der Allheil'gen Trinität:
bitt' sie zu erleuchten unsere Seelen."
(Üb.: Dr. Gernot Bühring)
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Erst im mittelalterlichen Russland fand die Ikone der Hl. Dreieinigkeit ihre endgültige und nicht mehr überbietbare Gestalt: Im Kloster des hl. Sergius von Radonesch, wo das innige Herzensgebet gepflegt und die Gegenwart des Hl. Geistes ganz persönlich erfahren wurde, erhielt der hl. Andreij (verherrlicht1988; Gedenktag am 4./17.7.)die entscheidende Inspiration zur formvollendeten Darstellung des liebevollen Gesprächs der Hl. Dreieinigkeit zum Heil der Welt - jenseits sowohl der detailbesessenen Illustration der biblischen Erzählung als auch der blutleeren Abstraktion geometrischer Konstruktionen: Der Kreis, den die drei Figuren um den eucharistischen Altar herum bilden, ist erkennbar, aber verlebendigt durch die bewegte Beziehung der drei Personen zueinander: Die Sitzordnung und Blickverbindung der drei ähnlichen Gestalten drücken die Einheit des göttlichen Wesens aus, die Gesten und Farben aber die Verschiedenheit der göttlichen Personen. Der blau-rot gewandete, durch seine Menschwerdung Himmel und Erde verbindende Sohn weist auf die Opferschale und bittet den Vater im göttlichen Glanz um die Sendung des Hl. Geistes. Der im grünen pfingstlichen Kleid Seiner Aufgabe zustimmt und so die Kirche begründet.

4. Die Erfüllung des Heils-Ratschlusses: Pfingsten
Dieser vorewige Ratschluss der drei göttlichen Personen, eines Wesens und eines Willens zum Heil der Welt, wird verwirklicht am Pfingstfest, dem Geburtstag der Kirche. So verweist in unserer symbolischen Architektur die westliche Wand auf die östliche, das Fresko über der Ikonostase. Diese macht als Fenster zur Ewigkeit die Grenze zwischen Himmel und Erde erfahrbar. Hier blicken uns die Heiligen, vom Hl. Geist Erfüllten, an aus dem Altarraum, wo die Kirche sich in der hl. Eucharistie verwirklicht. Jeder Apostel empfängt auf die ihm eigene, einmalige Weise die Flamme des Hl. Geistes und erhält die Vollmacht, diese Gnade durch die Handauflegung und Myronsalbung an alle Menschen weiterzugeben, wie die Bischöfe es bis heute tun.

Die unergründliche, einzigartige Personalität, die die von Gott geschenkte, unverlierbare Würde eines jeden Menschen ausmacht, findet ihr Urbild in der Hl. Dreieinigkeit. Jede wirkliche menschliche Gemeinschaft lebt von der liebenden Hingabe der Personen aneinander - so wie es uns unüberbietbar die vom hl. Andreij Rubljow gestaltete Ikone der ,,Gastfreundschaft" vor Augen stellt.

Lit.: N. Wolper, Das Geheimnis der Person. Die Menschheit als Bild der Hl. Dreieinigkeit; Der Bote 4/2004. S. l9-2l G. Bühring, Das kirchenslawische Troparion auf Andrej Ruhliew; Der Christliche Osten XLIVI/1990/3-4: S.169-174 (Abdruck-Genehmigung für Übersetzung und Abb.)