Reliquien
(P. Nikolai Wolper)
Anlässlich unseres Patronatsfestes am 21.7.2007 hat S.E. Erzbischof Mark unserer Gemeinde Körperpartikel (Reliquien) der hl. Märtyrerinnen Elisabeth von Russland und ihrer Gefährtin Nonne Barbara (beide ermordet am 5./18.7.1918; s. Beitrag: Neue russ. Märtyrer) aus dem russischen Ölbergkloster in Jerusalem und der nach der Geburt Christi ermordeten Unschuldigen Kinder (29.12./11.1.) aus der Grotte neben der Geburtskirche in Bethlehem übergeben und in die neuen Ikonen eingefügt.
Schon seit Jahrzehnten verehren wir vor der Chornische am Amvon eine Reliquienikone des hl. Johannes, des Vielduldenden vom Kiewer Höhlenkloster (Petscherskaja Lavra), der am 18./31.7. 1160 nach 30-jähriger Askese entschlafen ist. Die Ikone zeigt seinen verzweifelten Versuch, die ihn unablässig quälenden Leidenschaften zu zügeln, indem er sich vierzig Tage lang bis zur Brust in der Erde eingraben ließ.
Körperliche Überreste und Dinge, die in enger Beziehung zu ihren lebenden Besitzern standen (Berührungs-Reliquien), sind wie die Ikonen Gefäße göttlicher Kräfte, mit denen die Heiligen über ihren weltlichen Tod hinaus begnadet sind. Noch in der kleinsten Partikel – manche Leiber von Heiligen sind sogar gänzlich unverwest - bleiben die göttlichen Energien wirksam, was aber wie die Wundertätigkeit mancher Ikonen nichts mit Magie zu tun hat, sondern mit der Wirklichkeit der Einheit von Körper, Seele und Geist wie auf dem irdischen Weg, so auch in der Auferstehungsgestalt. Reliquien sind deshalb die Vorwegnahme des durchgeistigten Auferstehungsleibes, ist doch der Leib nach dem Zeugnis des hl. Apostels Paulus der Tempel des Hl. Geistes. (1 Kor 6,19)
So strömen manche Reliquien noch nach Jahrhunderten wohlriechendes Myron aus: „Wohlgeruch Christi“ zu sein, ist nicht nur der Anspruch der hl. Apostel, sondern die Frucht der Vereinigung mit Jesus Christus in der Taufe, im begnadeten Leben und in der Auferstehung (2 Kor, 2,15). Dass Reliquien manchmal in Ikonen eingelassen sind, verweist auf die enge Verbindung beider Medien, deren Verehrung niemals der Materie selbst gilt, sondern stets übergeht auf die in ihnen gegenwärtige Person, die letztlich wie jeder Mensch Abbild des Gottessohnes Selbst ist.
Seit den Anfängen der Kirche, als die Christen die hl. Eucharistie über den Gräbern der Märtyrer feierten, ist die Verehrung der Reliquien das Bekenntnis zum lebendigen Glauben an die Gegenwart der Auferstehung. Deshalb muss bei jeder Göttlichen Liturgie ein Antimins (Tuch-I kone der Grablegung des Herrn), das eine Heiligenreliquie enthält, auf dem Altartisch liegen und zum eucharistischen Kanon ausgebreitet werden.
Die Reliquienverehrung kann sich berufen auf das Zeugnis der Hl. Schrift, die schon zur Zeit des ersten Bundes vom Wunder einer Totenerweckung durch Berührung mit den Gebeinen des hl. Propheten Elisa berichtet (2 Kön 13,21) und aus den Anfängen der christlichen Kirche Krankenheilungen sogar durch den Schatten des hl. Apostels Petrus und durch Auflegen von Taschentüchern des hl. Paulus nennt (Apg 5,15; 19,12).
Manche Festtage sind den Übertragungen von Heiligenreliquien gewidmet, z.B. der Übertragung der Gebeine des hl. Nikolaus von Myra nach Bari am 9./22. April oder des hl. Alexander Nevskij am 30. August/11. September.